Lokale Tumortherapie: Irreversible Elektroporation (IRE)

IRE-Behandlung mit Stromstößen zur zielgerichteten Therapie von Tumoren

Mit der Häufigkeit von Tumorerkrankungen sind auch die Therapiemöglichkeiten und Heilungschancen für die Patientinnen und Patienten gestiegen. Eine dieser Möglichkeiten stellt die irreversible Elektroporation (IRE) bei Tumoren dar, eine Form der lokalen Tumortherapie, bei der die Tumore mit Stromstößen gewebeschonend behandelt werden. Statt umliegendes Gewebe während der Therapie zu zerstören, ist es mit der irreversiblen Elektroporation möglich, das gesunde Gewebe zu erhalten, während das Tumorgewebe fokal (gezielt) entfernt wird. Insbesondere bei Prostatakarzinomen findet dieses neue Verfahren Anwendung.

In diesem Artikel erfahren Sie, welche Tumorzellen mit dem IRE-Verfahren in Kliniken behandelt werden kann, wie die Behandlung abläuft und was Sie über die Nachsorge und Nebenwirkungen wissen sollten.

Definition: Was ist eine irreversible Elektroporation (IRE)?

Die irreversible Elektroporation (IRE) ist eine neuartige Methode, die fokal bei der Behandlung von Tumoren eingesetzt werden kann. Statt des umliegenden gutartigen Gewebes kann mit dem IRE-Verfahren das Tumorgewebe mithilfe von gezielten, kurzen Stromstößen zerstört werden. Hierdurch unterscheidet es sich von anderen Verfahren wie der Mikrowellen- und Radiofrequenzablation, bei der die Zellmembranen durch Hitze absterben. Darüber hinaus empfinden die Patientinnen und Patienten während der Behandlung keine Schmerzen. Aus diesem Grund gilt die IRE-Behandlung als gewebeschonende Therapie, besonders bei einer Prostatakrebsbehandlung. In englischsprachigen Ländern wird die IRE-Methode auch als „NanoKnife“ bezeichnet, da der lokale Einsatz einem elektronischen Skalpell ähnelt.

Das IRE-Verfahren

Das IRE-Verfahren kann in Kliniken bei lokal begrenzten Tumorzellen in der Prostata, Niere, Leber und Bauchspeicheldrüse. Die einzelnen Tumore sollten bei der Magnetresonanztomographie (MRT) gut erkennbar sein und für die erfolgreiche Durchführung einen bestimmten Durchmesser nicht überschreiten.

Wie funktioniert die IRE-Behandlung?

Die irreversible Elektroporation wirkt fokal gegen Tumore und ist durch die zielgerichtete, örtlich begrenzte Zerstörung von Tumorgewebe sehr schonend für das umliegende Gewebe. Bei der IRE-Therapie bildet sich um Sonden in Form von Nadeln ein elektrisches Feld, welches die Zellmembranen im behandelten Bereich öffnet und damit die Zerstörung der Zellen herbeiführt. Im Rahmen des natürlichen Wachstums ersetzen gesunde Zellen so die abgestorbenen Tumorzellen.

Bevor die IRE-Behandlung beginnt, erfolgt die Magnetresonanztomographie (MRT), mit der Ort und Größe der Tumorzellen bestimmt werden kann. Sobald diese identifiziert wurden, können Sonden, die in ihrer Form an Nadeln erinnern, in den Körper gebracht und um das Tumorgewebe herum positioniert werden. Die Spitzen der Sonden können nun gezielt kurze Stromstöße von mehreren tausend Volt in wenigen Mikrosekunden erzeugen und das betroffene Gewebe zerstören. Hierbei wird die Zellmembran angegriffen und bleibt dauerhaft beschädigt, wodurch die betreffende Zelle abstirbt. Die Zellreste werden schließlich vom Immunsystem des Körpers entsorgt und neue Zellen gebildet.

Weil die Stromstöße gezielt Gewebe zerstören können, wird die irreversible Elektroporation auch als „NanoKnife“ bzw. „elektrisches Skalpell“ bezeichnet. Im Gegensatz zur Radiofrequenzablation stellt die IRE-Behandlung somit eine gewebeschonende Methode dar, die hauptsächlich das Tumorgewebe angreift und umliegendes, gutartiges Gewebe erhalten kann.

Für welche Fälle und Krebsarten eignet sich das IRE-Verfahren?

Kliniken bieten das IRE-Verfahren häufig für die Behandlung von Prostatakarzinomen an. Die Methode eignet sich sowohl für die erste Prostatakrebsbehandlung als auch zur Anwendung nach einer erfolglosen Strahlentherapie, wenn Tumore erneut auftreten. Das IRE-Verfahren kann aber nicht nur bei Prostatakrebs zum Einsatz kommen, sondern auch auf Tumore an Leber, Niere oder Bauchspeicheldrüse angewendet werden.

Irreversible Elektroporation: IRE bei Bauchspeicheldrüsenkrebs

Eine Patientin erfährt die Ergebnisse nach der irreversiblen Elektroporation gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Die irreversible Elektroporation (IRE) zerstört Tumorzellen mittels kurzer, starker Stromstöße über eine in den Tumor gelegte Nadel. Die Methode findet häufig Anwendung bei Patienten mit Krebs an der Prostata, kann aber auch bei Bauchspeicheldrüsenkrebs eingesetzt werden. Die Behandlung schont dabei gesundes Gewebe und lebenswichtige Gefäße um betroffene Organe wie die Bauchspeicheldrüse.

Ob die IRE bei der Behandlung von Bauchspeicheldrüsenkrebs angewendet werden kann, hängt von dem Stadium ab, in dem sich der Tumor bei Therapiebeginn befindet:

  1. Resezierbare Tumore (1. Stadium): Die resezierbaren Tumore zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich lokal als Tumorgewebe abgrenzen und noch keine weiteren Organe oder Venen um die Bauchspeicheldrüse herum befallen haben. Das IRE-Verfahren kann in diesem Stadium verwendet werden.
  2. Knapp resezierbare Tumore (2. Stadium): Im 2. Stadium breiten sich die Krebszellen in die umliegenden Gefäße aus. Bei einem Tumor in der Bauchspeicheldrüse handelt es sich hier häufig um die Pfortader, die betroffen ist. Bei der irreversiblen Elektroporation werden nicht nur der Tumor, sondern bei einem Gefäßbefall auch Teilgewebe zerstört. Anschließend müssen Teile der Vene eventuell rekonstruiert werden, um Folgeschäden zu vermeiden.
  3. Lokal nicht resezierbare Tumore ohne Metastasen (3. Stadium): Das 3. Stadium zeichnet sich durch ein weit fortgeschrittenes Tumorgewebe in der Bauchspeicheldrüse aus, das zwar noch keine Metastasen in anderen Organen gebildet hat, mit dem IRE-Verfahren jedoch auch nicht mehr vollständig entfernt werden kann.
  4. Metastasierte Tumore mit entsprechenden Metastasen (4. Stadium): In diesem Stadium haben sich bereits Metastasen in anderen Organen wie der Leber oder Lunge gebildet. Eine Behandlung mit der irreversiblen Elektroporation kann in diesem Stadium keine lebensverlängernden Ergebnisse erzielen.

Irreversible Elektroporation: Ablauf der Behandlung

Um die Behandlung durch die irreversible Elektroporation bestmöglich zu steuern und zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, wenden Ärztinnen und Ärzte häufig parallel zwei weitere bildgebende Untersuchungen an: ein CT und ein kontrastmittelgestützter Ultraschall. Die Anzahl der eingeführten Nadeln hängt von der Größe des Tumors ab und kann zwischen zwei und sechs Nadeln liegen. Sind die Sonden in Form von Nadeln um den Tumor herum platziert, werden starke Stromstöße von 70 Mikrosekunden (µs) ausgelöst, die sich alle 100 bis 1000 Millisekunden (ms) wiederholen.

1. Vorbereitung

Zwei Tage vor der IRE-Behandlung wird deren Ablauf mit den Patientinnen und Patienten besprochen. Zusätzlich führen die Ärztinnen und Ärzte erneut eine bildgebende Untersuchung durch, bspw. mithilfe einer multiparametrischen, MRT-gesteuerten Fusionsbiopsie. Diese dient dazu, den aktuellen Standort des Tumorgewebes zu identifizieren. Abschließend wird geprüft, ob die Patientin bzw. der Patient eine Vollnarkose erhalten kann.

2. Durchführung

Am Behandlungstag erhält die Patientin bzw. der Patient eine Vollnarkose. Anschließend werden die nadelförmigen Sonden anhand eines Templates, das zuvor im Behandlungstisch verbaut wurde, in den Körper eingebracht. Dank des Templates können die Nadeln zielgenau eingeführt werden. Je nach Größe und Position des Tumors werden zwei bis sechs Sonden für die irreversible Elektroporation benötigt.

3. Überwachung

Nach etwa 24 Stunden wird der Erfolg der IRE-Methode kontrolliert. Sofern der Eingriff erfolgreich verlaufen ist, kann die Patientin bzw. der Patient die Klinik am Tag nach der Behandlung verlassen. Anschließend sollte diese bzw. dieser regelmäßige Nachuntersuchungen durchführen lassen, um den Heilungserfolg langfristig zu kontrollieren.

Nachsorge nach der irreversiblen Elektroporation

Bei allen Tumorerkrankungen sind Nachuntersuchungen und -beobachtungen essenziell. Um mögliche Komplikationen frühzeitig zu erkennen und um kontrollieren zu können, ob die irreversible Elektroporation den Tumor vollständig zerstört hat, erfolgen nach der Behandlung Untersuchungen in verschiedenen Intervallen: zunächst nach ca. einem Monat, danach alle drei, sechs und neun Monate nach dem Eingriff.

Klinik der St. Augustinus Gruppe mit Schwerpunkt Tumortherapie

Tumortherapie – gemeinsam und zielgerichtet gegen den Krebs

Die IRE-Verfahren kann bei Krebserkrankungen wie Prostatakrebs oder Bauchspeicheldrüsenkrebs eigenständig oder in Ergänzung zu weiteren Behandlungen wie der Strahlentherapie erfolgen. Im Gegensatz zur Mikrowellen- und Radiofrequenzablation werden die Zellmembranen nicht mithilfe von Hitze zerstört, sondern mit kurzen Stromstößen behandelt, die umliegendes, gutartiges Gewebe erhalten. Gute Heilungschancen mit der IRE-Therapie ergeben sich z. B. bei einem Prostatakarzinom sowie resezierbaren Tumoren in der Leber, Niere und Bauchspeicheldrüse.

Die St. Augustinus Gruppe bietet das IRE-Verfahren in ihren zertifizierten Kliniken im Fachbereich Tumortherapie für ihre Patientinnen und Patienten an. Um ein positives Therapieergebnis zu fördern, kann im Anschluss zur Erholung nach der erfolgreichen IRE-Behandlung eine onkologische Reha in der Niederrhein Klinik der St. Augustinus Gruppe in Anspruch genommen werden.

Die Grafik zeigt einen Arzt in einer Klinik, welche die irreversible Elektroporation (IRE) anbietet.

Wir beantworten Ihre Fragen zum Thema irreversible Elektroporation

FAQ

Was bedeutet NanoKnife?

Mit NanoKnife ist sinnbildlich ein „elektronisches Skalpell“ gemeint, dass Tumorzellen in Prostata, Bauchspeicheldrüse, Leber oder Niere zerstört. NanoKnife bezeichnet daher umgangssprachliche die Methode der Irreversiblen Elektroporation (IRE).

Was kostet die irreversible Elektroporation?

Die Kosten für die irreversible Elektroporation liegen zwischen 15.000 und 20.000 Euro. Da mehrere Studien wie z. B. die weltweit anerkannte Food and Drug Administration (FDA) die Wirksamkeit der IRE-Behandlung bestätigt haben, besteht prinzipiell eine Übernahmepflicht seitens der privaten und gesetzlichen Krankenkassen.

Welche Nebenwirkungen können nach der irreversiblen Elektroporation auftreten?

Auch wenn Komplikationen selten sind, besteht bei der irreversiblen Elektroporation (IRE) wie bei allen Eingriffen in den Körper die Möglichkeit, dass Nebenwirkungen auftreten. Dazu gehören bei der IRE-Behandlung etwa Entzündungen am Einstichkanal oder Blutungen. Patientinnen und Patienten können direkt nach der IRE zudem einen flüchtigen Muskelkater verspüren, weil die Stromstöße Muskeln im jeweiligen Behandlungsbereich aktivieren. Langfristige Nebenwirkungen der IRE sind noch nicht vollständig erforscht und unterliegen weiterhin Langzeit-Studien.

Das sagen unsere Experten zum Thema irreversible Elektroporation

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